Blockchain-Use-Cases für Ihr Business, Teil 2
Bringen Blockchain-Technologien Ihrem Unternehmen Wettbewerbsvorteile? In Teil 1 unseres Themenkomplexes „Blockchain für Ihr Business“ haben Sie verschiedene Use Cases kennenlernen und mit den Aufgaben in Ihrem Unternehmen abgleichen können. Wenn sich dabei herausgestellt hat, dass Ihr Unternehmen eine Blockchain-Lösung braucht, erfahren Sie heute, wie aus der Idee eine handfeste Anwendung werden kann.
Acht Schritte zur eigenen Blockchain-Anwendung
Eine Blockchain-Anwendung zu realisieren, weil das gerade angesagt ist und Marketing-Pluspunkte bringt? Falscher Ansatz! Damit Sie nicht unnötig Geld verbrennen, empfehlen wir die systematische Annäherung ans Thema:
- Blockchain-Technologie kennenlernen, Arbeitsgruppe zusammenstellen
- Problembeschreibung/Analyse
- Evaluierung mittels Entscheidungsbaum, ob die Blockchain die richtige Lösung ist
- Identifikation der passenden Blockchain: öffentlich, privat oder hybrid
- Kosten-Nutzen-Analyse und Projektplanung
- Entwicklung, Programmierung, Use-Case-Testphase
- Liveschaltung
- Monitoring und Support
1. Blockchain kennenlernen, Team zusammenstellen
Können Blockchain-Lösungen Ihr Unternehmen nach vorn bringen, weil sie massive Zeit- oder Kostenvorteile bringen oder fundamentale Probleme lösen? Das können nur jene herausfinden, die sich mit dem Thema auskennen. Sorgen Sie daher im ersten Schritt dafür, dass jene Kollegen, die für Prozessoptimierung und IT verantwortlich sind, die Möglichkeiten von Blockchain-Technologien kennenlernen und dabei begreifen, was eine Blockchain leisten kann und was nicht. Dabei helfen unsere Blockchain-Artikel, aber auch wissenschaftliche Beiträge, Vorträge und Studien. Außerdem empfiehlt sich schon in einem frühen Stadium der Entscheidungsfindung der Kontakt zu einer spezialisierten Beratungsfirma.
2. Problembeschreibung/Analyse
Welche Aufgabenstellung soll die Blockchain lösen? Holen Sie am besten sowohl Vertreter des Managements als auch operative Mitarbeitende aus verschiedenen Arbeitsbereichen ins Blockchain-Team – oft haben die Teammitglieder „von der Front“ eine andere Wahrnehmung als das Management, sodass sich die unterschiedlichen Perspektiven im Team perfekt ergänzen können.
Wie können die Probleme aussehen?
- Erwarten Ihre Kunden Herkunftsnachweise Ihrer Produkte?
- Medizinische Produkte/Medikamente
- Wein
- Edelsteine
- Tachostände von Pkw
- Erwarten Ihre Kunden eine belastbare Aussage über die Einhaltung der Kühlkette?
- Möchten Sie die Zollabwicklung automatisieren und damit Kosten sparen?
- Möchte Ihre Buchhaltung automatisiert bezahlen, sobald ein bestimmtes Ereignis eintritt?
- Arbeiten Sie mit mehreren Intermediären zusammen, die für die Vertrauenswürdigkeit Ihrer Geschäftsprozesse sorgen sollen – etwa Zentralbanken, Zentralregistern, Grundbuchämtern und Notaren?
3. Evaluierung mittels Entscheidungsbaum, ob die Blockchain die richtige Lösung ist
Haben Sie Ihre Herausforderungen erfasst, gilt es herauszufinden, ob sie sich sinnvoll mit Blockchain-Technologien lösen lassen. Geht es einfacher ohne die Blockchain, lohnt sich der Aufwand nicht. Wenn sich nur Ihr Marketing als einzige Abteilung eine Blockchain wünscht, weil sich damit der Innovationsanspruch Ihres Unternehmens so schön unterstreichen lässt, sollten Sie auf diese Ausgaben verzichten. Bei dieser Entscheidungsfindung kann ein Entscheidungsbaum helfen. Dieses hilfreiche Tool führt Sie durch inhaltlich aufeinander aufbauende Fragen systematisch zu einer belastbaren Antwort.
Sobald klar ist, dass Sie Ihre eigene Blockchain-Lösung umsetzen wollen, sollten Sie sich einen externen Berater ins Boot holen. Der wird Sie unter anderem zu den grundsätzlichen Fragen beraten: Eignet sich eher eine private, eine öffentliche oder eine Hybrid-Blockchain für Ihre Aufgabe? Gibt es dafür bereits Konsortien? Anschließend packen Sie gemeinsam alle Teilaufgaben von Forschung und Analyse über Strategieentwicklung, Rechten und Vorschriften, Steuern und Whitepaper-Erstellung bis hin zu Marketing, Team-Aufbau und Testing an. Ein gutes Beratungsunternehmen begleitet sie von der Anwendungs-Erstellung über den Launch bis hin zu Betrieb und Support – und wenn Sie bei der Auftaktfrage, ob Sie eine Blockchain-Lösung benötigen oder nicht, Hilfe benötigen, unterstützen Sie die Berater auch dabei. Versuchen Sie es aber durchaus erst einmal selber, zum Beispiel mit einem der folgenden Entscheidungsbäume:
Das Sébastien-Muniers-Modell
Diese Checklist stellt die technischen Aspekte in den Mittelpunkt. Wie funktioniert’s? Kreuzen Sie alle Aussagen an, die für Ihr Unternehmen zutreffen. Je mehr Kreuze Sie machen, desto eher kommt für Sie ein Blockchain-Use-Case infrage.
Das Suichies-Modell
hilft bei der Frage, ob Sie eine Blockchain überhaupt benötigen – und wenn ja, ob es eine öffentliche (permissionless), private (permissioned) oder eine hybride Lösung werden sollte.
Das ETH-Zürich-Modell
des Informatik-Departments der ETH Zürich in der Schweiz klärt ebenfalls in wenigen Schritten, ob eine Blockchain-Lösung für Sie sinnvoll ist – und welche Form in Ihrem Fall am besten passt.
4. Identifikation der passenden Blockchain: öffentlich, privat oder hybrid
Ob Sie eine öffentliche, private oder hybride Blockchain benötigen, verrät Ihnen meistens schon der Entscheidungsbaum. Gestaltet sich die individuelle Entscheidungsfindung schwieriger, wird Ihnen die Beratungsfirma unter die Arme greifen.
Wenn Sie über eine versierte IT-Abteilung verfügen, die das Regelwerk der jeweiligen Blockchain versteht, können Sie mit einer Open-Source-Lösung eine Anwendung bauen, mit der Sie oder Ihre Kunden zu prüfende Daten in der Blockchain Ihrer Wahl abspeichern können. Auf diese Weise können Sie die Blockchain als Ledger für Ihre Daten nutzen. In der Praxis könnten das zum Beispiel digitale Signaturen auf elektronischen Frachtdokumenten sein: Wann immer Waren abgeholt oder angeliefert werden, kann das je nach Aktion über Ihre Anwendung gehasht werden. Der Hashwert ist dann in der Blockchain gespeichert, sodass Sie oder Ihre Kunden über Ihre Anwendung oder jederzeit prüfen können, ob die Daten korrekt sind. Das Unternehmen Cargo Support legt seine Daten beispielweise in der Blockchain von Ethereum Classic ab und ermöglicht es seinen Kunden mit einer simplen Web-Anwendung, die Echtheit digitaler Frachtunterlagen zu prüfen.
In vielen Fällen müssen Sie aber nicht einmal eine eigene Anwendung entwickeln, um auf die Blockchain Ihrer Wahl zugreifen zu können. Oft ist es cleverer, je nach Use Case auf ein Blockchain-Konsortium wie die private Blockchain Hyperledger oder den Finanztransaktionsvermittler We.Trade zuzugreifen. Was für Sie passt, muss individuell entschieden werden.
5. Kosten-Nutzen-Analyse und Projektplanung
Wenn klar ist, dass Ihr klar umrissenes Problem theoretisch über eine Blockchain gelöst werden kann, geht es an die Planung von Netzwerk und IoT-Infrastruktur und an die Kosten-Nutzen-Analyse. Denn noch ist nicht klar, ob der Nutzen einer Blockchain-Lösung auch den vorausgehenden Aufwand lohnt – je nach Fall und Branche kann die Umsetzung überraschend komplex und umfangreich sein. Wenn Sie sich Teil 1 und Teil 2 unseres Logistik-Fallbeispiels aus der Blockchain-Reihe ansehen, werden Sie schnell feststellen, dass hier eine komplette Infrastruktur geschaffen werden muss, damit der Use Case der Produktrückverfolgbarkeit wirklich gewährleistet werden kann. Das bringt einen hohen Umstellungsaufwand für viele Beteiligte mit sich – angefangen bei den Kosten für Hardware und Schulungen. Diese Kosten und der mit der Umstellung verbundene Aufwand müssen mit dem Nutzen ins Verhältnis gesetzt werden, um seriös einschätzen zu können, ob sich die Umstellung aus wirtschaftlicher Sicht lohnt. Und das können Sie nur alleine überblicken.
6. Entwicklung, Programmierung, Use-Case-Testphase
Wenn die Kosten-Nutzen-Analyse ergibt, dass sich Ihr Vorhaben lohnt, geht das Projekt in die Programmierung – entweder inhouse bei versierten Programmierern oder bei externen Spezialisten. Gleichzeitig muss die passende IoT-Infrastruktur in kleinem Rahmen aufgebaut werden. Es gilt, mit dem Proof of Concept einen ersten Prototypen zu entwickeln, der es ermöglicht, Ihr Vorhaben auf Herz und Nieren zu testen. In dieser Projektphase sind neben den Entwicklern auch schon erste Nutzer aktiv – zumindest Ihre Kollegen und Kolleginnen, die auch später mit Ihrer Blockchain-Lösung arbeiten sollen. Spätestens jetzt wird sichtbar, ob sich Ihre Aufgabenstellung mit der geplanten Blockchain-Anwendung effektiv lösen lässt.
Hat sich das Proof-of-Concept-Modell erfolgreich bis zur Praxistauglichkeit entwickelt und damit die Testphase abgeschlossen, wird die Programmierung final umgesetzt. Das alles braucht seine Zeit und muss von vornherein ausgiebig auf Herz und Nieren getestet werden, um sicherzustellen, dass die Anwendung später stabil, sicher und anwenderfreundlich funktioniert. Dabei hat die Qualität allerhöchste Priorität.
Auch vor der finalen Liveschaltung sollten Sie unbedingt die Zeit und Kosten investieren, das System in vollem Umfang zu testen, bevor Sie die bisherigen Lösungen abschalten. Auch in diesem Zusammenhang sei noch einmal auf unser Beispiel aus der Logistikbranche verwiesen.
Vor der finalen Liveschaltung des Systems ist es ratsam, die Zeit und die Kosten zu investieren das System in seinem vollen Umfang zu testen und nicht direkt das ganze System einfach umstellen, siehe das Beispiel Blockchain Lösung für die Logistikbranche. Es gilt, unter realen Umständen zu prüfen, ob das Netzwerk funktioniert, ob alle beteiligten Instanzen eine stabile Internetverbindung haben und ob alle Prozesse, Worksflows und Partner-Nodes wie geplant arbeiten. Nur so lässt sich ein möglichst reibungsarmer Umstieg ermöglichen, der für die Akzeptanz durch die Nutzenden grundlegend ist.
7. Liveschaltung
Der offizielle Roll-out ist einer der entscheidenden Momente bei der Umsetzung eines neuen Systems. Gerade eine komplexe Lösung wie die von uns beschriebene Blockchain-Lösung für die Logistikbranche benötigt eine umfangreiche Infrastruktur, muss rechtlich in vielen Belangen abgesichert werden und benötigt geschultes Personal bei allen beteiligten Unternehmen, das den Mehrwert des Systems erkennt und die anstrengende Einführungsphase mitträgt.
Auch die End User, in diesem Fall die Mitarbeitenden, müssen im Umgang mit den neuen Arbeitsprozessen und Programmen geschult werden. Bitte unterschätzen Sie nicht, dass sich Menschen immer mit Veränderungen schwer tun und Zeit brauchen, um sich an neue Prozesse zu gewöhnen – jeder, der schon mal eine Systemumstellung in einem Unternehmen miterlebt hat, wird das bestätigen können: Für die Mitarbeitenden heißt es, sich im stressigen Alltag parallel zur Arbeit neu einarbeiten zu müssen und sich gerade in der Anfangszeit mit kleineren Bugs arrangieren zu müssen, weil anfangs doch immer wieder Fehler auftauchen, die in der Testphase nicht aufgefallen sind.
8. Monitoring und Support
Wie jedes andere System funktioniert auch Ihre Blockchain-Anwendung nicht ohne fortlaufende Betreuung. Denn es können jederzeit Fehler auftreten, Sicherheitslücken auffallen oder Bitten um zusätzliche Leistungsmerkmale aus der Praxis hereinkommen. Damit alles reibungslos läuft, muss das System deshalb dauerhaft überwacht und hinsichtlich möglicher Bedrohungen analysiert werden.
Außerdem kommt die Tatsache hinzu, dass die Blockchain-Technologie noch eine sehr junge Disziplin ist, deren Entwicklung lückenlos begleitet werden sollte – im Grunde wie jedes IT-System.
Fazit
So jung sie noch sein mag: Die Blockchain-Technologie hat sich bereits als ernstzunehmende Option etabliert – sowohl als Wertspeicher-Medium im Finanzsektor als auch für industrielle Anwendungen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen. Gerade die globale Logistik mit ihren unzähligen Teilnehmenden und komplexen Wertschöpfungsketten kann mithilfe der Blockchain revolutioniert werden, wenn Prozesse verschlankt und automatisiert, Kosten eingespart, Transparenzen geschaffen und Sicherheiten erhöht werden, wodurch allerdings auch Arbeitsplätze wegfallen werden.
Ob Blockchain-Technologien auch für Ihr Unternehmen infrage kommen, können Sie nur beurteilen, wenn Sie sich ernsthaft mit ihren Möglichkeiten auseinandersetzen und damit sicherstellen, dass Sie im globalen Vergleich nicht den Anschluss verlieren. Lesen Sie sich ins Thema ein oder stellen Sie Personal ein, das Interesse an Blockchain-Technologien und ein Händchen für Prozessoptimierung besitzt.
Sie haben gelernt, dass es nicht nur die eine Blockchain gibt, sondern öffentliche, private und hybride Ansätze. sie haben gelernt, dass es Anbieter und Konsortien gibt, die bereits Lösungen mit unterschiedlichem Fokus entwickelt haben. Und etablierte Dienstleister, die Infrastrukturen als Infrastruktur-as-a-Service bereitstellen. Das reduziert Ihren Initiativaufwand je nach Aufgabenstellung erheblich – zum Teil ist die Blockchain-Nutzung schon heute zum Teil nicht komplizierter als die Anbindung an einen neuen Cloud-Anbieter. Strecken Sie doch mal Ihre Fühler aus! Das könnte Ihre Unternehmenszukunft entscheidend beeinflussen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Blockchain-Anwendungen gesammelt? Teilen Sie Ihre Meinung über die sozialen Netzwerke XING und LinkedIn mit uns. Wir freuen uns auf einen regen Austausch!