Blockchainbasierte Lösungen für die Logistikbranche – Teil 1
Blockchain: Lösung für die Logistik?
Das grundlegende Ziel des Supply Chain Management ist es, Prozesse zu optimieren und ihre globalen Kosten so weit wie möglich zu senken. Was die Blockchain-Technologie dazu beitragen kann, schauen wir uns in diesem und dem kommenden Beitrag genauer an und werden mittels Soll-/Ist- und SWOT-Analyse herausarbeiten, welch enormes Optimierungspotenzial in der zukunftsweisenden Technik steckt. So viel vorweg: Die Blockchain ist für den Einsatz in der Logistik prädestiniert, weil immer komplexere Wertschöpfungsketten die Verarbeitung stetig wachsender Informationsmengen zu Standorten, Warenzuständen und Zahlungsströmen sowie Daten für die Steuerung von Produktion und Materialfluss erfordern.
Dabei sind die Herausforderungen von Logistik und Supply Chain jenen der Finanz- und Krypto-Branche sehr ähnlich: In allen Fällen tauschen viele weltweit verteilte Parteien untereinander Daten aus, die für jeden einsehbar sein und trotzdem sicher gespeichert werden müssen. Gelingt das, lassen sich zahlreiche Herausforderungen elegant lösen – etwa die Kontrolle der Herkunft von Gütern und Produktbestandteilen, die Vermeidung von Produktpiraterie und die Umsetzung papierloser Prozesse. Dazu müssen allerdings alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen.
Wie Waren-, Geld- und Informationsflüsse in der Supply Chain mittels Blockchain-Technologie transparent und sicher gesteuert werden können und wie die Stärken und Schwächen eines solchen Ansatzes im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen aussehen, spielen wir in diesen beiden Beiträgen durch. Dranbleiben lohnt sich!
1. Das Szenario
Stellen wir uns einen Luxus-Handtaschen-Anbieter mit Sitz in Deutschland vor, der seine Supply Chain komplett digital über die Blockchain abbildet – inklusive Buyers Consulting und Anbindung aller Zulieferer, Zusteller, Seefrachter und Lkw-Frachtführer. Die Handtaschen werden in China produziert und die Rohmaterialien dafür über Global Sourcing beschafft: Das Metall stammt aus China, das Leder aus Thailand und der Stoff aus Indien. Der Transport der fertigen Handtaschen wird nach Incoterm FOB per Seefracht und Lkw-Transport organisiert.
Stellen wir uns jetzt vor, dass sich bei der Handelskette XY der Vorrat an Luxushandtaschen leert, bis die im System definierte kritische Menge erreicht ist. Vollkommen automatisch wird der chinesische Hersteller informiert, dass er eine neue Handtaschen-Charge in einem im System vermerkten Umfang produzieren muss. Genauso automatisch fragt das System ab, wie viele Rohstoffe dem Hersteller für die Produktion noch zur Verfügung stehen. Reichen sie für den Auftrag nicht aus, erhalten die Rohstoff-Zulieferer automatisch die Order, Material nachzuliefern.
2. Ist-Analyse: die traditionelle Logistikumsetzung
Gerade im internationalen oder gar interkontinentalen Warenhandel ist es nicht immer einfach, allen Beteiligten hinsichtlich der Authentizität sensibler Informationen und der Sicherheit ihrer Übermittlung zu vertrauen. Auch die zentrale Speicherung von Produktinformationen ist ein Schwachpunkt, weil einzelne Server leichter angegriffen werden können.
Die Daten-Authentizität leidet ebenfalls unter der manuellen Erfassung der Informationen in einer zentralen Datenbank, weil sich dabei Fehler einschleichen und Daten jederzeit nachträglich geändert werden können.
Hinzu kommt die Ineffizienz des Prozessmanagements: Mit verteilten und verspätet erfassten Daten kann kein Unternehmen den gesamten Logistikprozess überwachen. Prozesse wie etwa Dokumentensignierung, -übermittlung und -prüfung im Rahmen von Zollformalitäten werden immer noch von Menschen abgebildet, obwohl Maschinen das besser und zuverlässiger leisten könnten.
3. Soll-Analyse: Supply Chain der Zukunft
Die wesentlichen Ziele erfolgreichen Supply Chain Managements haben wir bereits benannt: Prozess-Optimierung und Kostenreduktion. Um sie zu erreichen, müssen grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden:
- Vertrauen zwischen den internationalen Handelspartnern
- Echtheit und Sicherheit von Dokumenten
- verlässliche und zeitnahe Informationen über Ort und Zustand von Gütern
- verlässliche Prozessautomatisierung
- klare Rechteverteilung
Diese Voraussetzungen lassen sich angesichts der immer komplexer werdenden globalen Wertschöpfung kaum mehr über klassische Insellösungen schaffen – wir brauchen ein umfassendes neues System, das sicher, transparent, flexibel, und skalierbar alle Prozessschritte abbildet, ohne manipuliert werden zu können. Ein System, das alle Teilnehmer an der Supply Chain transparent einbindet, durch seine Manipulationssicherheit Vertrauen schafft und mit der Automatisierung kleinteiliger Prozessschritte Aufwand, Zeit und Kosten spart.
4. Synthese: Umstellung auf Blockchain
Mit ihrer dezentralen Architektur erfüllt die Blockchain-Technologie alle Anforderungen, an denen klassische Systeme scheitern. Denn es liegt in ihrer Natur, sämtliche enthaltenen Daten über Hashwerte unveränderbar, authentisch und manipulationssicher zu speichern – jederzeit einsehbar und mit einem hohen Maß an Ausfallsicherheit. Dadurch ist es nicht mehr erforderlich, fremden Anbietern zu vertrauen. Es reicht vollkommen, dem System zu vertrauen. Dabei hilfreich: Nicht jeder User kann alle Daten einsehen – Lese- und Schreibrechte können individuell vergeben werden. Ist das SCM-System aufgebaut, erfüllt es alle geforderten Parameter:
- Die internationalen Partner können den Informationen zu Produktechtheit, Rohstoffherkunft, Liefer- und Bezahlstatus vertrauen – die Blockchain hält belastbare Daten bereit.
- Die Echtheit von Export-Import-Dokumenten wird durch die Erzeugung eines Hashwertes und seine Speicherung innerhalb der Blockchain gewährleistet.
- Das System der Blockchain ist ausfallsicher, sodass alle Beteiligten jederzeit auf die Daten zugreifen können.
- Sensordaten liefern in Echtzeit den Status der Supply Chain.
- Wichtige Logistikdaten werden von IoT-Geräten (RFID-/NFC-Tags und -Sensoren) erfasst und in der Blockchain gespeichert. Der gesamte Vorgang findet automatisch statt, um die Datenauthentizität von der Quelle an sicherzustellen.
- Besonders sicher wird die Blockchain in Verbindung mit Smart Contracts. So kann ein System geschaffen werden, das komplett autonom agieren kann, wenn man vorher entsprechende Vorgaben definiert.
Die Automatisierung kommerzieller Prozesse durch blockchainbasierte Smart Contracts hat den Service- und Zahlungsverkehr bereits heute schon optimiert und dabei die Fehlerquote im Backoffice reduziert. Wenn im Vorfeld festgelegte Kriterien für eine Service-Level-Vereinbarung erfüllt sind (z. B. „Lieferung von Ersatzteilen in gutem Zustand bis Mittag an das Lager XYZ in China“), können Verfahren mit intelligenten Verträgen automatisch ausgeführt werden (z. B. vollständige, subtrahierte und sogar geteilte Zahlung), ohne dass ein Mensch aktiv eingreifen muss.
Die Verwendung von blockchainbasierten Smart-Verträgen wird derzeit ausgedehnt und hinsichtlich der Eignung für Prozesse untersucht, die über die Zahlung und grenzüberschreitende Zolldokumentation hinausgehen – einschließlich Frachtumschlag und -verfolgung, Audits von Treuhandagenten und Bewertung der Auftragnehmer-Reputation.
Dadurch, dass die Produkte und Warenpaletten mit einem RFID-Chip ausgestattet werden, kann der Kunde den gesamten Produktlebenszyklus nachverfolgen, sieht allerdings nur das, was er sehen soll. Darüber entscheidet der Verkäufer, der dem Kunden diesen Service über die Blockchain zur Verfügung stellt.
5. Voraussetzungen
Das beschriebene Szenario ist keine kühne Vision, sondern längst umsetzbar. Voraussetzung für die Realisierung ist allerdings, dass geeignete technische Rahmenbedingungen geschaffen werden:
Hardware
Ausnahmslos jedes Produkt und jede Transporteinheit benötigt einen eigenen RFID-Chip oder NFC-Tag, um lückenlos erfasst und verfolgt werden zu können. Diese winzigen Passivsender sind zu Stückpreisen ab 0,30 Euro erhältlich und können entweder aufgeklebt oder in Produkte eingearbeitet werden. Jede einzelne Station, die die Produkte auf ihrem Weg entlang der Lieferkette passieren, benötigt wiederum einen Sensor, der mit den RFID-/NFC-Tags über Radiowellen kommuniziert und die Information über den aktuellen Aufenthaltsort des Produkts in eine IoT-konforme Blockchain überträgt – das gilt für Logistik, Reedereien, Häfen und Zollstellen genauso wie für jedes Transportmittel.
Daher muss jeder Sensor über einen Internetzugang verfügen. Das ist mittlerweile selbst fernab jeder Infrastruktur möglich, beispielsweise mit dem satellitenbasierten Starlink-System des Tesla-CEO Elon Musk. Verfügt eine Station nicht über fest installierte Sensoren, muss die Erfassung der eintreffenden Waren über Mobilgeräte erfolgen.
Software
Hier ist eine Lösung auf der Basis von Blockchain-Technologie erforderlich, die alle Schnittstellen bietet, um die über die Wertschöpfungskette hinweg anfallenden Informationen zu erfassen, allen Beteiligten je nach Zugriffsrechten zur Verfügung zu stellen und an automatisierte Aktionen zu übergeben. Die Lösung ToolChain des chinesischen Anbieters VeChain haben Sie ja im letzten Blockchain-Beitrag bereits kennengelernt.
Zwischenfazit
Der Blick auf die Ergebnisse von Ist- und Soll-Analyse lässt erahnen, welches Optimierungspotenzial die Blockchain für den Einsatz in der Supply Chain bereithält. Bevor wir uns dazu ein fundiertes Urteil erlauben, sollten wir solche Lösungen aber erst einmal detailliert in der Praxis betrachten und einer seriösen SWOT-Analyse unterziehen. Das und mehr tun wir in Teil 2 dieses Beitrags, der hier am 03.09.21 erscheint. Bleiben Sie dran!
Bild: © Andrey Apoev – stock.adobe.com
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